«Das ist für mich eine riesige Chance»
SRF 3 spielt nicht nur Musik, sondern schürft auch nach versteckten Talenten. Die Förderung junger Schweizer Musiker:innen wie Lhanzom Lhasam ist dabei mehr als bloss ein Auftrag: Sie trägt auch zur kulturellen Identität der Schweiz bei.
13 Uhr, der Regen fällt schräg auf das Tram-Perron. Eine zierliche Frau steigt aus dem Tram, auf dem Rücken eine Gitarre. Es ist Lhanzom Lhasam, bald 30 Jahre alt, Psychologin und Musikerin. Und im Monat Oktober das Best Talent beim Musiksender SRF 3. Sie läuft zügig zum Eingang der Radio Hall in Zürich, dort wird sie bereits von einem Fan abgepasst. Freundlich signiert die junge Musikerin die vorbereiteten Fotos, nette Worte werden ausgetauscht. Lhanzom Lhasam kennt den Weg, sie ist nicht zum ersten Mal hier. Schnell ist die Jacke abgelegt, die Gitarre ausgepackt, die Musikerin begibt sich in die Live Lounge, ein Raum zwischen den Studios von SRF 3 und SRF 1. Dort nimmt sie auf dem bereitgestellten Hocker Platz und beginnt konzentriert, die ersten Akkorde zu spielen.
Helfen, Perlen zu entdecken
«Es ist wie bei den frischen Brötchen», erklärt Roland Wehrli, der SRF 3 ad interim leitet. «Die aus der nahen Bäckerei sind die besten.» So sei es auch bei der Musik. «Natürlich hören wir gerne Musik aus England oder Amerika. Aber Musik von hier, von uns – die ist unvergleichlich.» Musik ist die DNA von SFR 3, naheliegend also, dass sich der Sender auch strategisch in erster Linie auf diese ausrichtet.
In den letzten Jahren haben hiesige Musiker:innen an Selbstbewusstsein zugelegt und die Schweizer Musik wurde mit Künstler:innen wie Steff la Cheffe, Lo & Leduc oder Marius Bear zunehmend zu einer ernstzunehmenden Grösse. «Wenn wir helfen können, solche Perlen zu entdecken, ist das grossartig», sagt Roland Wehrli. «Schweizer Lieder sind uns so nahe, das ist unsere Musik, unsere Identität.» Wehrli erinnert sich an ein Konzert von Patent Ochsner auf dem Gurten, zusammen mit 20 000 anderen Menschen. «Und wir alle sangen ‹Scharlachrot›. Das war ein unglaubliches Gefühl.»
Ein Cover von «Barbie Girl»
Aufregung im Studio von SRF 3. Wo ist Lhanzom Lhasam? Eilig wird sie aus ihrer Rauchpause gerufen, eine Minute später ist sie auf Sendung. Als Best Talent im Oktober durfte sie wählen, ob sie eine Coverversion von Lewis Capaldis «Someone you loved» oder von «Barbie Girl» von Aqua singen will. «Eigentlich würde mir Capaldi eher liegen. Doch der Refrain von Barbie Girl war mir so vertraut, so dass ich mich schliesslich für dieses Lied entschieden habe», erklärt Lhanzom Lhasam. Von der Moderatorin wird sie zuerst in einem Quiz getestet: Wer hat Barbie im Film gespielt (Antwort: Margot Robbie)? Wann wurde das Lied zum ersten Mal veröffentlicht (Antwort: 1997), in wie vielen Ländern war der Song auf Platz 1 (Antwort: in sechs Ländern, aber nicht in den USA)? Die Nachwuchskünstlerin bleibt ruhig und beantwortet auch spontane Fragen locker. Später, als im Studio die Nachrichten gesendet werden, tauscht Lhanzom Lhasam ihren hellblauen Pulli gegen ein lilafarbenes Sakko, sprayt sich Haarspray in die Haare, trägt Lippenpomade auf. Dann schickt sie noch schnell eine SMS ans Mami.
Schub für die Musikkarriere
Damit eine Sendung wie diese mit Lhanzom Lhasam wie am Schnürchen klappt, wird von langer Hand geplant und akribisch vorbereitet. Musikredaktorin und Projektverantwortliche Eliane Laubscher, bestens vertraut mit Schweizer Musik, spürt mit ihren «Best Talent»-Jury-Kolleg:innen Talente auf, die bis dato in Schweizer Garagen, Kellern oder Schlafzimmern musiziert hatten. «Es ist uns eine Herzensangelegenheit, gute Musiker:innen zu finden und ihnen eine erste Plattform zu bieten. Denn Schweizer Musik braucht sich nicht zu verstecken.»
Versteckt hat sich auch Lhanzom Lhasam nicht: Sie schickte ihre erste Single «Dream» an Hana Gadze, Moderatorin der Musiksendung «punkt CH». Dieser gefiel, was sie hörte, und bald lief der Song auf SRF 3. «Wir brauchen jeweils insgesamt drei bis vier Songs von einer Künstlerin oder einem Künstler», sagt Eliane Laubscher. «Wenn uns die Qualität überzeugt und der Sound auch zu unserem Programm passt, kann die Musikerin oder der Musiker für einen Monat zum Best Talent werden.» In jenem Monat bekommt das Talent die volle Aufmerksamkeit auf den Kanälen von SRF 3: Dazu gehören On-Air-Beiträge, Trailer, eine Live- und Cover-Session, diverse Online-Artikel und drei Videos. Dem Best Talent des Jahres winkt ausserdem ein Fördergeld von 10’000 Franken sowie die Teilnahme an Eurosonic, dem grössten Showcase-Festival in Europa. Eine weitere Bühne also, die für manche Musiker:innen der Durchbruch bedeutet, teils sogar für eine internationale Karriere. «Die Talente kriegen von uns eine Plattform und die Möglichkeit, bekannter zu werden. Wir verleihen ihrer Musikkarriere Schub.»
«Du warst fantastisch!»
14.10 Uhr. Drei Kameras sind auf Lhanzom Lhasam gerichtet, konzentriert wartet sie auf das Startsignal. Und dann beginnt sie zu spielen und interpretiert den schmissigen Barbie-Song auf ganz eigene, gefühlvolle Art. Mit ihren schwarzen Haaren will sie so gar nicht zum Klischee der Barbie passen. Die letzten Töne verklingen, dann Stille. Es ist vorbei. Niemand spricht. «Wie war ich?», fragt Lhasam. «Meine Knie haben total gezittert.» Eilig versichern ihr alle: «Du warst fantastisch!» Kurz darauf kommen die ersten Reaktionen von Zuhörer:innen rein. Eine davon: «Diese Version gefällt mir viel besser als die Originalversion von Aqua.»
Vielleicht ist es der Durchbruch, der Lhanzom Lhasam hier gelingt. Ihr grösster Wunsch wäre es, von der Musik leben zu können. Im Moment arbeitet sie als Psychologin in einer Klinik, ihre Musik betreibt sie noch im Alleingang, ohne Plattenfirma und Management. Für sie stellt SRF 3 Best Talent deshalb eine ideale Plattform dar. «Ja, die Reichweite hat deutlich zugenommen, wie auch die Anzahl Streamings. Und jeder Song, der auf dem Sender gespielt wird, wird gut bezahlt. Das ist für mich wirklich eine riesige Chance», sagt Lhasam. Zum Abschluss gibt es nochmals ein Foto, viele Umarmungen. «Die Musik ist meine Ressource. Alles, was mich beschäftigt, alle meine Gefühle fliessen in meine Songs.»
Daniela Huwyler, November 2023
«SRF 3 Best Talent» ist ein Nachwuchsförderpreis für Musik des grössten Pop- und Rock-Senders der Schweiz. Jeden Monat wird ein Best Talent gekürt, einmal jährlich das Best Talent des Jahres. Der Preis wird seit 2010 an den «Swiss Music Awards» verliehen und ist mit einem Fördergeld von 10 000 Franken dotiert. Davor, von 2003 bis 2009, hiess der Preis bei DRS 3 «Swiss Top». Sieger damals waren unter anderem Pegasus und Admiral James T., als Monatssieger:innen gefördert wurden unter anderem Heidi Happy, William White, Seven und Gustav.
Kings Elliot
«SRF 3 war einer der ersten Radiosender, der mich mit meiner Musik unterstützt hat. Das war mitunter der Grund, wieso der Papi und Grosspapi dann tatsächlich realisiert haben, dass das Musikmachen für mich nicht mehr «nur» ein Hobby ist.
Der Support rund um das SRF 3 Best Talent und die Reichweite und Plattform, die man dadurch erhält, ist nicht zu unterschätzen und hat meine Karriere in der Schweiz definitiv nochmals gefördert. Diese Unterstützung hat mir einmalige Chancen geboten und bedeutet mir als Auslandsschweizerin sehr viel.»
Joya Marleen
«SRF 3 Best Talent zu sein, hat mir unglaublich geholfen. Leute wurden auf mich aufmerksam und fingen an, mich zusätzlich zu unterstützen. Zudem haben mich dadurch vermehrt auch Booker:innen für ihre Festivals gebucht, was so cool war!»
Caroline Alves
«Quand j’ai gagné le Swiss Music Award comme ‹Best Talent›, je n’y croyais pas du tout. Je pense que ce Award m’a permis de professionnaliser mon travail en tant que musicienne et d’être reconnu par les autres artistes et entités culturelles. Ça m’a beaucoup touchée d’arriver à ce niveau. Grâce au Swiss Music Award, j’ai senti que je suis rentrée dans une nouvelle sphère et un nouveau niveau de la musique. Aussi, le fait d’avoir un soutien régulier et constant de la SRF3 est vraiment très touchant!»
Marius Bear
Die Dankesrede von Marius Baer anlässlich des Musikawards ist hier zu finden.
Das sagt sein Manager Roger Guntert:
«Marius Bear ist sehr dankbar für die enge Zusammenarbeit mit SRF 3. Es ist wirklich eine sehr herzliche Verbindung mit den Redaktor:innen und inzwischen mit dem ganzen SRF-Haus entstanden.
Der Effekt des Best Talents ist unmittelbar spürbar. Marius Bear konnte sich damals als Best Talent im «10vor10» vorstellen, worauf die Downloadzahl seiner Musik hochgeschnellt ist. Es ist sehr besonders, dass SRF 3 neue und unbekannte Talente spielt, im Gegensatz zu den privaten Radiosendern, die Künstler:innen erst in ihr Programm aufnehmen, wenn diese etabliert sind. Es ist der Traum aller Schweizer Nachwuchskünstler:innen, in die Liga der SRF 3 Best Talents aufgenommen zu werden.»