«Vraiment»: RTS-Sendung spürt Fake News auf

Fake News und Verschwörungstheorien sind allgegenwärtig, qualitativ hochwertige Recherchen darum wichtiger denn je. RTS hat mit «Vraiment» ein investigatives Format geschaffen, das auf Transparenz und Community-Beteiligung setzt. Das Publikum sieht hinter die Kulissen, kann sich an Recherchen beteiligen und so mithelfen, Fake News zu identifizieren.

Wie wird Musik zur Verbreitung von Neonazi-Ideologien verwendet? Wer profitiert davon? Und welche Rolle spielt Spotify dabei? Diesen Fragen geht die erste Ausgabe der Sendung «Vraiment» nach. Das Format ist eine Art Tutorial für die breite Öffentlichkeit, damit alle möglichst wenig zu Fehlinformationen beitragen.
Die investigative Sendung ist seit März im Programm von RTS. Sie spürt irreführende Veröffentlichungen und andere Online-Betrügereien auf, analysiert Fake News, zeigt Möglichkeiten zur Faktenüberprüfung und lädt die Online-Community ein, sich an den Nachforschungen zu beteiligen. Das schafft Transparenz und Vertrauen.

An der ersten Ausgabe mit dem Titel «Nazi-Musik auf Spotify» arbeiteten die Journalistin Cécile Tran-Tien und ihre beiden Kollegen über zwei Monate. Die eigentliche Recherchearbeit des Teams dauerte etwa einen Monat, wobei jeder Schritt, jede Nachforschung und jeder Anruf gefilmt wurden. Darauf folgte eine aufwändige Schnittarbeit, damit die Zuschauer:innen am Ende alle Schritte nachvollziehen und sich so eine persönliche Meinung bilden können.

Wir alle sind Teil des Prozesses

Bis vor kurzem war die Überprüfung von Informationen und die damit verbundene Verantwortung nur einem kleinen Kreis von Fachleuten vorbehalten. Mit zunehmenden digitalen Netzwerken hat sich diese Verantwortung auf die gesamte Gesellschaft ausgeweitet, sodass die Unterscheidung zwischen «Desinformation» und «Fehlinformation» immer wichtiger wird. Unter Desinformation sind bewusst falsche Informationen zu verstehen, mit denen die Öffentlichkeit zu wirtschaftlichen, politischen oder anderen Zwecken manipuliert werden soll. Fehlinformationen umfassen unbeabsichtigte Fehler, aber auch das Teilen und Verbreiten falscher Informationen. Jede Person, die im Netz also Dinge verbreitet, ist Teil des Prozesses, sagt Nathalie Pignard-Cheynel, Dozentin für Journalismus und digitale Kommunikation an der Universität Neuenburg und Leiterin der Masterstudiengänge in Journalismus (MAJ und MAJI).

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Nathalie Pignard-Cheynel, Dozentin für Journalismus und digitale Kommunikation an der Universität Neuenburg und Leiterin der Masterstudiengänge in Journalismus (MAJ und MAJI)

zVg

«Wir können nicht alle gegen Desinformation vorgehen. Wenn man jedoch vermeidet, falsche Informationen zu verbreiten, sie mithilfe verschiedener Tools ausfindig macht und die Quellen hinterfragt, kann man unter Umständen viel dazu beisteuern, Fehlinformationen einzuschränken», sagt RTS-Journalistin Cécile Tran-Tien.

«Vertrauensverlust bekämpft man durch Transparenz»

Durch die heutige Informationsflut entsteht oft Verwirrung darüber, was wahr und was falsch ist. Das führt zu einem Vertrauensverlust gegenüber den Medien. Können Journalist:innen selbst dieses Vertrauen zurückgewinnen? Ja, meint Nathalie Pignard-Cheynel. Ihrer Meinung nach bietet die Sendung «Vraiment» durch ihren innovativen Ansatz eine Lösung. «Erstens wird dem Publikum nicht gesagt, was es zu denken hat, sondern bekommt Informationen und Erklärungen zu einem komplexen Thema. Das hilft, sich eine eigene Meinung zu bilden.» Zweitens trage die Transparenz der einzelnen Arbeitsschritte zur Glaubwürdigkeit bei.

Auch «Vraiment»-Host Cécile Tran-Tien setzt auf Transparenz, damit werde Vertrauensverlust am besten bekämpft. «Deshalb versuchen wir, Schritt für Schritt und so genau und detailliert wie möglich vorzugehen.» Ebenfalls würde durch den Austausch mit der Community Transparenz geschaffen: «Wir zeigen ihnen, dass sie in der Lage sind, eine Information mit den entsprechenden Werkzeugen und etwas Zeit selbst zu überprüfen.»

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«Vraiment»-Host Cécile Tran-Tien.

Eine Sendung mit freiwilligen Mitarbeitenden

Das «Vraiment»-Team hat damit begonnen, eine Community von Freiwilligen zusammenzustellen. Cécile Tran-Tien und ihre Kollegen möchten diese Gruppe jedoch weiter ausbauen und laden deshalb nach jeder Episode die Zuschauer:innen ein, sich ihnen anzuschliessen. Derzeit zählt die Community 26 Mitglieder, darunter Studierende, Rechtsexpert:innen und Bibliotheksangestellte. «Wir suchen keine Profis, sondern Menschen, die Lust darauf haben, nach Fakten zu suchen und die Wahrheit zu ergründen.» Für die geleisteten Dienste bietet die Journalistin den freiwilligen Mitarbeitenden einmal im Monat eine Schulung zu Recherche-Tools an.

Journalismus-Expertin Nathalie Pignard-Cheynel bezeichnet das als eine Form des kollaborativen Journalismus: «Die Community ersetzt die Journalist:innen nicht, sondern unterstützt sie in ganz bestimmten Aufgaben.» Wichtig dabei sei aber, dass die Arbeit der Freiwilligen durch erfahrene Journalist:innen begleitet und auch eingegrenzt werde. Recherchen müssten von einer Fachperson geleitet werden, welche die zahlreichen ethischen Regeln des Journalismus beherrscht. «Damit erfüllt ‹Vraiment› alle Kriterien, die man von einem nationalen Medienhaus erwarten darf.»

Lucie Donzé, Juni 2024

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