«Happy Day»: Nicht nur Glitzerregen und Freudentränen

Menschen überraschen und glücklich machen: Das ist seit 17 Jahren das scheinbar einfache Rezept der Sendung «Happy Day». Doch hinter jeder Folge stecken lange Vorbereitungen. Und jede Folge muss hohe Qualitätskriterien erfüllen. Die Sendung ist laut SRF-Unterhaltungschef Reto Peritz so beliebt, weil sie verbindend wirkt: «Sie ist wie sozialer Kitt.»

Bea ist beschäftigt. Sie reinigt mit einem Wasserschlauch gerade den Vorplatz ihres Hauses, als plötzlich unerwarteter Besuch auftaucht: Röbi Koller und sein Kamerateam. «Überraschung und Happy Day», heisst es – und Bea kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. «Ist die Wohnung aufgeräumt, ist es nicht peinlich, wenn die Kamera einfach so drauflos filmt?», fragt sie sich insgeheim, als sie das Team ins Wohnzimmer führt, wo ihr Mann Hubi sitzt. Der Grund für den unerwarteten Besuch: Jemand möchte das Paar überraschen, weil ihre Liebe einzigartig sei. Bea und Hubi, der seit seinem 18. Lebensjahr im Rollstuhl sitzt, sind seit über 30 Jahren ein Paar, sie haben drei Kinder. Der Überraschungsbesuch des Kamerateams will erst einmal verdaut werden: «Jetzt brauche ich einen Schnaps», sagt Bea.

Bea und Hubi gemeinsam im Wohnzimmer mit Überraschungsgast Röbi Koller

Unterhaltung ist relevant für den Zusammenhalt einer Gesellschaft, für das gegenseitige Verständnis und die Empathie, sie bildet und politisiert.
Ethische Standards, kein Voyeurismus

Geschichten wie diese mögen auf den ersten Blick bloss nach Wohlfühl-Fernsehen aussehen. Unterhaltungssendungen können aber mehr als gemeinhin angenommen. Eine Sammlung von aktuellen wissenschaftlichen Ergebnissen zeigt: Unterhaltung ist relevant für den Zusammenhalt einer Gesellschaft, für das gegenseitige Verständnis und die Empathie, sie bildet und politisiert. Dafür muss sie aber gewisse Kriterien erfüllen. Deshalb durchläuft bei «Happy Day» jede Geschichte, die in der Samstagabend-Sendung gezeigt wird, ein sorgfältiges Auswahlverfahren. Sie muss die Qualitätskriterien der SRF-Abteilung Unterhaltung erfüllen, die beispielsweise festhalten, dass Sendungen nicht voyeuristisch sein dürfen und ethische Standards einhalten müssen.

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‹Happy Day› ist wie sozialer Kitt: Sie hat eine verbindende Kraft, wirkt gegen Einsamkeit und stärkt die Gemeinschaft durch gemeinsame Werte.»
Reto Peritz, Leiter Unterhaltungsabteilung (SRF)

«Vor einiger Zeit haben wir uns von internationalen Lizenz-Formaten wie ‹The Voice of Switzerland› verabschiedet und entwickeln unsere Sendungen vorwiegend selbst», sagt Reto Peritz, der die Unterhaltungsabteilung leitet. «Happy Day» sei ein äusserst beliebtes und erfolgreiches Format bei Jung und Alt: «Die Sendung ist wie sozialer Kitt: Sie hat eine verbindende Kraft, wirkt gegen Einsamkeit und stärkt die Gemeinschaft durch gemeinsame Werte.»

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Man kann lachen, man kann weinen. ‹Happy Day› funktioniert so gut, weil es echte Geschichten sind.»
Röbi Koller, Moderator von «Happy Day»
Spannung als wichtiges Element

Kiki Maeder begleitet die Sendung seit zehn Jahren, sie sagt über die Bedeutung von Happy Day: «Die Sendung erinnert uns daran, dass es oft die kleinen Gesten der Freundlichkeit sind, die einen grossen Unterschied im Leben anderer Menschen machen können. So können wir mit ‹Happy Day› dazu beitragen Vorurteile abzubauen, die Empathie und das soziale Miteinander zu stärken.» Röbi Koller hat die Sendung mitentwickelt und prägt sie seit 17 Jahren. Kürzlich flimmerte die 80. Sendung über den Bildschirm. «Man kann lachen, man kann weinen. ‹Happy Day› funktioniert so gut, weil es echte Geschichten sind», sagt der Moderator. «Wir wertschätzen die Menschen, und die Spannung ist ein wichtiges Element. Das ist mehr als ‹nur› Unterhaltung, das ist für mich echter Service Public und unverzichtbar.» Über all die Jahre haben Röbi Koller und sein Team unzählige Personen auf unterschiedliche Art überrascht und beglückt: mit Ferienreisen und Wohnungsverschönerungen, Überraschungspartys und Familienzusammenführungen. Jede und jeder darf sich bei «Happy Day» melden und eine Überraschung für einen anderen Menschen vorschlagen. Im Fall von Bea und Hubi aus Tuggen im Kanton Schwyz war es eine langjährige Nachbarin, die fand: Die Beiden sind so ein inspirierendes Ehe- und Liebespaar, das eine besondere Überraschung wirklich verdient.

Bea und Hubi bei ihrer Hochzeit, mit ihren Kindern und bei sich zuhause

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Die Fernsehzuschauer:innen sollen sich mit unseren Überraschten mitfreuen können und ihnen diesen ‹Happy Day› gönnen.»
Nicole Simmen, leitende Produzentin

Nachdem ein Wunsch die Redaktion erreicht hat, wird sorgfältig abgewogen, ob er sich in der Sendung erfüllen lässt und wie genau die Überraschung eingefädelt wird. Denn zu überraschen sei eine Kunst, sagt Nicole Simmen, leitende Produzentin. Wichtig sei zum Beispiel der «Gönnfaktor»: «Die Fernsehzuschauer:innen sollen sich mit unseren Überraschten mitfreuen können und ihnen diesen ‹Happy Day› gönnen.» Oft würden daher die beeindruckenden Geschichten der Überraschten gezeigt und von den Hindernissen erzählt, die sie in ihrem Leben überwinden mussten. Wichtig ist laut der Produzentin auch, dass die Überraschung filmisch umgesetzt werden kann – hier muss der Spannungsaufbau stimmen. Dem Paar aus Tuggen beispielsweise wurde nur verraten, dass sie am 23. Dezember in die Sendung kommen sollen. Für Bea war das Warten auf den Tag bereits aufreibend: «Ich habe einfach gehofft, dass sie es nicht übertreiben. Denn wir sind bescheiden, wir wollen nicht im Rampenlicht stehen.»

Während Bea und Hubi also gespannt auf ihren Tag gewartet haben, hat das achtköpfige Team der Sendung die Überraschung vorbereitet. Es wurde recherchiert, geplant und organisiert. Die ganze Familie von Bea und Hubi wurde eingeweiht und gefilmt, alle wurden aber sorgsam instruiert, nichts zu verraten.

«Da geht es nicht um Quote»

Für Moderator Röbi Koller ist jede Geschichte einzigartig und berührend. «Am meisten haben mich Überraschungen für sehr kranke Menschen bewegt, die kurze Zeit später verstorben sind», sagt er. Auch Adoptionsgeschichten gingen ihm besonders unter die Haut: Immer wieder unterstützt «Happy Day» Personen dabei, ihre leiblichen Eltern zu treffen.

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Wir tragen Sorge, dass es am Schluss wirklich ein Happy End gibt.»
Röbi Koller, Moderator von «Happy Day»

«Hier ist es wichtig, diese Menschen auf ihrer einschneidenden Reise gut zu begleiten», sagt Röbi Koller. «Da geht es nicht um Quote, sondern um ein Zusammenfügen von Puzzleteilchen. Darum, dass diese Menschen Antworten finden auf lang gestellte, elementare Lebensfragen.» Der Verantwortung für die jeweiligen Protagonist:innen in der Sendung sei sich das Team bewusst. «Und wir tragen Sorge, dass es am Schluss wirklich ein Happy End gibt.»

Auch in der Sendung vom 23. Dezember bleibt schliesslich kein Auge trocken. Die Überraschung für Bea und Hubi: ein persönliches Liebeslied, in Auftrag gegeben bei einem professionellen Musikproduzenten. In der Sendung besingt Jodlerin Arlette Wismer zuerst die Liebe der beiden. Dann bewegt sie sich in Richtung Bühne, wo sich plötzlich der Vorhang öffnet, hinter dem ein ganzer Chor steht. Mit dabei: Beas Vater. «Es war unbeschreiblich. Alles war wie ein Traum. Wie an der eigenen Hochzeit. Ein Film!», schwärmt Bea.

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Hubi, Bea, Jodlerin Arlette Wismer und Röbi Koller mit dem Chor im Hintergrund (v.l.n.r)

Der Fernsehmoment ist schnell vorbei – ihr Lied, «Liebi für dich», bleibt den beiden aber für immer. Bea und Hubi hören es regelmässig und erinnern sich an ihren «Happy Day». Mit dem Lied sei ihnen etwas Einmaliges geschenkt worden, sagt Bea. «Es gibt uns so viel Kraft. Für uns ist ‹Happy Day› eine Sendung, die einfach nur gut tut. Und nach der man herrlich schlafen kann.» Aussagen wie diese zeigen den Wert, den Unterhaltung haben kann.

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Unterhaltung ist wichtig, gerade in einer Welt, die immer stärker polarisiert.»
Reto Peritz, Leiter Unterhaltungsabteilung (SRF)

Für Individuen, aber auch für die ganze Gesellschaft. Oder wie Reto Peritz sagt: «Unterhaltung ist wichtig, gerade in einer Welt, die immer stärker polarisiert. Unsere Geschichten sind relevant für die Gesellschaft und bilden die Schweiz in ihrer Vielfalt ab.»

 

Daniela Huwyler, März 2024

Zur Sendung mit Bea und Hubi

 

Weitere Studien zur Unterhaltung gibt’s hier.

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