«Couleurs locales»: Wo das Publikum täglich das Wort hat
Sie geht dorthin, wo die Westschweizer:innen sind. Und das seit 15 Jahren: Die RTS-Sendung «Couleurs locales» sendet von ständig wechselnden Orten in der Westschweiz und bezieht die Bevölkerung vor Ort mit ein. Damit bietet sie einen Einblick in die Vielfalt der jeweiligen Region und macht nebenbei die journalistische Arbeit für die Bevölkerung fassbar.
Morgens wird gefilmt, tagsüber geschnitten, abends gesendet: Der Zeitplan bei «Couleurs locales» ist straff. An jedem Wochentag machen sich vier Fernsehleute – Regisseur:in, Moderator:in, Tontechniker:in und Kameraperson – gegen 8 Uhr auf den Weg an einen Drehort irgendwo in der französischen Schweiz. Ein erster Teil des aufgenommenen Materials wird dann gegen 10.30 Uhr nach Genf geschickt, der zweite Teil gegen 13.30 Uhr. So haben die Cutter:innen genügend Zeit, die Sendung so zu gestalten, dass sie noch am selben Abend um 19 Uhr auf RTS 1 ausgestrahlt werden kann.
Das Besondere an «Couleurs locales» ist aber nicht nur der straffe Zeitplan. Sondern, dass die Sendung seit der ersten Folge 2009 so publikumsnah wie möglich ist. In jeder Folge kommen Personen aus der lokalen Bevölkerung zu Wort – Lokaljournalismus pur also. Manchmal bietet RTS auch die Möglichkeit, hautnah Journalismus zu erleben, dieses Jahr etwa in Vernier oder Monthey. An beiden Orten konnten jeweils etwa zehn Personen bei den Dreharbeiten zur Sendung dabei sein. Abends fand dann ein Public Viewing der Ausgabe statt, inklusive anschliessender Diskussion über das journalistische Handwerk. Dadurch wird die Arbeit von Journalist:innen fassbar – und das Vertrauen in ebendiese gestärkt.
Eine Sendung wie eine «Sauerstoffquelle»
Rafael Poncioni hat die Sendung in Vernier moderiert. Das Publikum sei einerseits von den technischen Aspekten beeindruckt gewesen. Was das Publikum jeweils aber besonders schätze, sei die Nähe: «Die Menschen lieben diese Sendung, weil sie jede:n erreicht. Und weil wir jeden Tag auf das Publikum zugehen und ihm das Wort geben.» Manche Zuschauer:innen bezeichnen «Couleurs locales» laut Moderator Poncioni gar als ihre «Sauerstoffquelle vor dem Téléjournal».

Das Team von «Couleurs locales»: Rafael Poncioni und Carole Pantet (hinten) sowie Jessica Renaud, Maude Richon und Fabienne Pambianco Carella (von links).
Crédit: RTS
Wird eine Sendung in der Öffentlichkeit aufgezeichnet, ändert sich für die Moderator:innen nicht viel an ihrer Arbeit. Aber: «Jeden Tag sprechen uns am Drehort Menschen an und stellen uns Fragen», erzählt Rafael Poncioni. Da könne man sich Zeit für sie nehmen. «Sonst ist das Aufnehmen vor Publikum gleich wie Zu Hause, also im Studio.»
Ein Gleichgewicht zwischen Regionen finden
Inhalt und Ziele jeder Sendung werden wöchentlich von den Leiter:innen der Regionalredaktionen, der Produktion sowie den Moderator:innen festgelegt. «Wir achten jeweils darauf, ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Regionen der Westschweiz und den behandelten Themen zu finden», sagt Moderatorin Fabienne Pambianco Carella.

Fabienne Pambianco Carella bereitet sich auf den Dreh an der Primarschule Les Prés in Biel vor.
Lucie Donzé
Nebst der Publikumsnähe ist ein weiteres Merkmal von «Couleurs locales», dass die Moderator:innen eben gerade nicht unbedingt die Sendungen präsentieren, die in ihrer jeweiligen Region gedreht werden. Das ermöglicht einen frischen Blick auf die Themen und Regionen.
Schaufenster zur Westschweizer Vielfalt
Auch die Journalist:innen, die für die Reportagen während der Sendung verantwortlich sind, fokussieren auf die Nähe zu den Regionen. So berichtet «Couleurs locales» zwar über regionale Ereignisse, aber auch über die Besonderheiten, die es in jeder Ecke der Romandie gibt. Zum Beispiel unbekanntes Handwerk. Dadurch wird die Sendung zu einem richtigen Schaufenster zur kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen und politischen Vielfalt der Westschweiz. Die Zuschauer:innen können dadurch ihr Wissen über die Region vertiefen und bekommen Einblicke in Themen, die ihnen sonst verborgen bleiben würden.

Fabienne Pambianco Carella interviewt Yanick Jolliet, Stadtarchitekt der Stadt Biel, in der neuen Turnhalle der Primarschule Les Prés in Biel.
Lucie Donzé
Das bestätigt auch der Bieler Stadtarchitekt Yanick Jolliet. Am 16. August drehte Fabienne Pambianco Carella zusammen mit ihm in der Primarschule Les Prés in Biel eine Reportage. Der Lokaljournalismus, wie ihn «Couleurs locales» macht, bereichere seine Arbeit, sagt Yanick Jolliet. «In unserem Bereich arbeiten wir ein wenig isoliert. Es ist sehr interessant, eine externe, manchmal kritische Meinung zu hören, zum Beispiel von Journalist:innen.»

Bereit? Der Bieler Stadtarchitekt Yanick Jolliet wird von Fabienne Pambianco Carella von RTS drehfertig gemacht.
Lucie Donzé
Ebenfalls werde die Arbeit so auch sichtbarer: So habe es nach seinen bisherigen Auftritten bei «Couleurs locales» immer wieder Anfragen von Zuschauer:innen gegeben, die ein bestimmtes Objekt besichtigen wollten, sagt der Stadtarchitekt von Biel. «Es ist für unsere Arbeit sehr interessant, eine externe, manchmal kritische Meinung zu hören.»
Lucie Donzé, August 2024