Nächstes Level für «Twitterhirne»: Medienkompetenz macht Schule

Kritisches Denken statt Dauerberieselung auf Social Media: Die SRG engagiert sich für Medienkompetenz an Schulen. Zusammen mit dem Verband Schweizer Medien und der ZHAW lud sie zu einer ersten Konferenz zu diesem Thema ein. Das Ziel: Lehrpersonen Hilfsmittel mitzugeben, damit sie Schüler:innen zu kritischem Mediennutzen anleiten können.

Jugendliche informieren sich heute via Handy – Zeitung und Tagesschau sind passé: «News konsumiere ich passiv. Ich suche nicht nach den neusten Nachrichten, sondern lasse mich berieseln», sagt etwa der 18-jährige Laurin Borter. Als einer von vier Schüler:innen berichtete der Gymnasiast aus Baden an der ersten nationalen Konferenz für Nachrichtenkompetenz auf einem Podium von seinem News-Konsum. Die Veranstaltung fand im November in Winterthur statt und wurde von der SRG, dem Verband Schweizer Medien und der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften organisiert. Verstehe er etwas nicht, erzählte Laurin Borter weiter, sei da immer noch «MrWissen2go». Gemeint ist ZDF-Journalist Mirko Drotschmann, der auf Youtube politische und gesellschaftliche Themen leicht zugänglich erklärt. «Manchmal bin ich froh, wenn komplexe Sachverhalte wie der Konflikt in Nahost auf leicht verständliche Art eingeordnet werden», so der Gymnasiast.

Nationale Konferenz für Nachrichtenkompetenz in Winterthur

Bewusstsein ist da, aber…

An der Tagung nahmen etwa 70 Lehrpersonen von Gymnasien sowie von Fachmittel- und Berufsfachschulen teil, die sich mit Journalist:innen und Medienvertreter:innen austauschten.

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Nur in der Diskussion können zementierte Denkweisen hinterfragt werden. Und somit News-Häppchen kritisch eingeordnet werden.»
Ofrah Hill, Lehrerin an der Berufsschule Liestal

Eine Teilnehmerin war Jeanine Surber, Geschichtslehrerin an der Kantonsschule Baden. Ihre Schüler:innen seien sich zwar bewusst, dass es Fake News gebe und bestimmte Medienhäuser eine höhere Nachrichtenqualität vorweisen als andere. «Doch im Alltag lassen sie sich lieber von Kanälen wie Tiktok und Instagram berieseln», erzählte sie. Lehrerkollegin Ofrah Hill von der Berufsschule Liestal beobachtet, dass Fake News vor allem Emotionen und in der Folge viel Hass schürten. «Neulich zeigte mir eine Schülerin ein schockierendes Video einer geköpften Person. Die Schülerin war verstört.» Zusammen hätten sie die Quelle verifiziert und festgestellt, dass das Bildmaterial aus dem Kontext gerissen worden war: Fake News. Deshalb sei es wichtig, Jugendliche immer wieder auf Inhalte zu sensibilisieren. «Nur in der Diskussion können zementierte Denkweisen hinterfragt werden. Und somit News-Häppchen kritisch eingeordnet werden», sagte Ofrah Hill.

Das Video über die Konferenz

Fake News als Gefahr für die Demokratie

Die Teilnehmer:innen der Konferenz diskutierten verschiedene Tools und Angebote, mittels derer die Medienkompetenz von Schüler:innen geprüft und verbessert werden kann. Etwa der kürzlich geschaffene Newstest: ein Online-Selbsttest, mit dem jede:r die eigene Medienkompetenz testen kann. Daneben gab es verschiedene Inputs. Gerade für eine Demokratie sei der sorgsame Umgang mit Nachrichten und Medien elementar, sagte etwa Henriette Engbersen von der SRG.

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Fake News sind eine grosse Herausforderung und können zu einer Gefahr für die Demokratie und Stabilität eines Landes werden. Medienhäuser haben hier viel Wissen, das sie weitergeben können.»
Henriette Engbersen, Leiterin Public Value SRG

Als ehemalige Grossbritannien-Korrespondentin sei sie besonders sensibilisiert für Fake News: «Zu Corona-Zeiten machte die Nachricht die Runde, dass das Coronavirus über Sendemasten verbreitet werde. Tatsächlich begannen Menschen, Sendemasten zu demolieren.» Eine kritische Auseinandersetzung mit dieser Nachricht habe nicht stattgefunden. «Fake News sind eine grosse Herausforderung und können zu einer Gefahr für die Demokratie und Stabilität eines Landes werden. Medienhäuser haben hier viel Wissen, das sie weitergeben können.»

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Es ist mir ein grosses Anliegen, dass Lehrpersonen dabei unterstützt werden, einen kritischen und differenzierten Medienkonsum zu vermitteln.»
Guido Keel, Institut für Angewandte Medien IAM
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Guido Keel vom Institut für Angewandte Medien IAM

Das Umfeld von Nachrichten sei komplexer geworden, stellte auch Guido Keel vom Institut für Angewandte Medien IAM fest. Somit sei es schwieriger, sich zurechtzufinden, gerade auch für Jugendliche. Er schätzt deshalb, dass alle Akteure der Medienhäuser und Fachhochschule an der Konferenz zusammenkamen und ihre Kompetenzen zur Verfügung stellten: «Die SRG hat das Praxiswissen und wir als Fachhochschule haben den wissenschaftlichen Zugang.»

Jugendliche seien die Wähler:innen von morgen, sagte Keel. Und zur demokratischen Meinungsbildung gehöre es, dass man sich unabhängig und kompetent informiere: «Es ist mir ein grosses Anliegen, dass Lehrpersonen dabei unterstützt werden, einen kritischen und differenzierten Medienkonsum zu vermitteln.»

Die nächste nationale Konferenz für Nachrichtenkompetenz ist für Frühling 2025 geplant.

Daniela Huwyler, November 2023

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