Rot, orange oder grün: eine Ampel gegen Fake News
Berufsfachschüler:innen tüfteln an Tools, um die Wahrheit von News zu überprüfen. Eine Initiative unterstützt von der SRG.
Pascal Straumann ist 24 Jahre alt, Hochbauzeichner und auf dem Weg zur Berufsmatura. Im Rahmen des Lernprogramms «myidea» hat er sich in den Bereich «Fake News» vertieft: «Spannend finde ich, welche Interessen hinter einer Aussage stehen. Gibt es komplett neutrale Aussagen? Interessant ist doch, wer dahinter steht, ob die Person zum Beispiel finanziell mit drinhängt.»
Straumann hat eine Geschäftsidee entwickelt und seinem fiktiven Unternehmen den Namen «trueso» gegeben. Die Wahrheit, darum gehe es. Nur: Sie aufzudecken, das sei anspruchsvoll und aufwendig, sagt Straumann. «Ich habe mich am Lebensmittellabel NutriScore orientiert. Ist eine Meldung oder eine Aussage richtig, gibt es einen grünen Haken, bei Zweifelsfällen leuchtet sie orange, und wenn sie falsch ist, ist sie rot.»
Straumann stellte sich vor, dass jede Meldung, jeder Film verschiedene Stationen durchläuft mit folgenden Fragestellungen: Kann das Bild einem Land zugeordnet werden? Wo ist der genaue Standort? Wer ist Autor:in oder Filmer:in? Und wie hoch ist der Wahrheitsgehalt? Natürlich sei ein solches Verfahren sehr aufwendig und teuer, gibt der junge Berufsmaturand zu. Für die Finanzierung hatte er anonyme Spenden und engagierte Fachexpert:innen im Sinn. «Wahrscheinlich ist eine solche Geschäftsidee nicht realisierbar, es war ein Gedankenspiel. Aber ich fände es schon gut, wenn man News, Filme oder Aussagen schnell und einfach auf ihren Wahrheitsgehalt hin prüfen könnte.»
Solche Geschäftsideen einmal durchzuspielen, das ist das Ziel des Lernprogramms «myidea», das die SRG unterstützt. Junge Unternehmer:innen erhalten dort das Rüstzeug, um sich im Markt zu bewähren. «Unternehmerisches Denken und Handeln heisst eben auch, einen methodischen Zweifel anzuwenden und immer wieder kritisch zu überprüfen, ob meine Einschätzungen richtig sind oder ob ich falsch liege», sagt Georg Berger, Direktor BBZ Olten und Präsident des Schweizerischen Zentrums für unternehmerisches Denken und Handeln (szUDH). «Wer Probleme lösen will, muss sie zuerst erkennen, dann die Sachverhalte prüfen und eigene Annahmen validieren – das sind alles Elemente des kritischen Denkens.»
Was es braucht, um Fake News aufzudecken
Die Technologie und damit auch der Konsum von Medien ändern sich heutzutage schnell. Schon früher gab es Verschwörungstheorien, doch mit Social Media verbreiten sich alle Arten von Informationen rasant. Fake News zu erkennen ist nicht immer einfach, denn sie unterscheiden sich kaum von echten News.
«Jemand, der Fake News zum Beispiel auf Social Media mit anderen teilt, glaubt vielleicht, die Information sei echt und wahr», erklärt der Journalist Marius Born, der Pascal Straumanns Projekt betreut hat. Um Fake News aufzudecken, brauche es neben Instrumenten zur Analyse eine kritische Grundhaltung und einen offenen Geist. «Neugierde bedeutet, nach der Wahrheit im Argument des Gegenübers zu suchen», sagt er. «Die Grenze zur Desinformation wird dort überschritten, wo jemand bewusst Fake News verbreitet.» In einigen Fällen steht eine klare Absicht dahinter, die Konsument:innen zu täuschen.
Kritisches Denken und Medienkompetenz sind für die direkte Demokratie unabdingbar. Deshalb ist die SRG eine Partnerschaft mit der Schweizerischen Direktorinnen- und Direktorenkonferenz der Berufsfachschulen (SDK) eingegangen. Das Lernprogramm «myidea» verfolgt das Ziel, allen Berufsfachschüler:innen die gleichen Chancen zu bieten und ihnen die Gelegenheit zu geben, sich unternehmerische Kompetenzen anzueignen. «SRG und SDK haben ähnliche Interessen. Darum ergibt es Sinn, dass sie junge Menschen bei der beruflichen Grundausbildung gemeinsam unterstützen», sagt szUDH-Präsident Georg Berger. «Gerade wenn es darum geht, kritisches Denken in realen Situationen anzuwenden.»
Mehr als 200 Lehrpersonen wurden bereits für den besonderen Lehrgang geschult, und rund 3000 Lernende aus der ganzen Schweiz haben schon bei «myidea» mitgemacht.
Daniela Huwyler, Mai 2023