Medien: «Konsumiert wird, was der Algorithmus vorgibt»
Wie sieht der Medienkonsum junger Menschen aus und wie orientieren sie sich im News-Dschungel von Instagram & Co.? Welche Rolle spielt dabei die SRG? Fiona Fehlmann hat dazu geforscht und erklärt, weshalb SRG-Inhalte besonders in Krisen gefragt sind.
Fiona Fehlmann, spielt die SRG beim Medienkonsum junger Menschen überhaupt noch eine Rolle?
Im Medienalltag der meisten Personen im Alter von 14 bis 35 Jahren spielen SRG-Angebote eine untergeordnete Rolle.
Junge, die noch zu Hause wohnen oder noch zur Schule gehen, kennen beispielsweise einzelne SRF-Formate durch die Eltern oder die Schule, wenn dort etwa Dokumentationen von SRF School gezeigt werden. Oder sie stolpern zufällig über Formate auf den sozialen Medien. Das heisst, sie nutzen die SRG-Angebote in der Regel nicht gezielt, unter anderem weil News heute anders konsumiert werden.
Was hat sich im Medienkonsum verändert?
Social Media prägt den medialen Alltag der Jungen – konsumiert wird oft, was der Algorithmus vorgibt. Diese Vorauswahl durch den Algorithmus kommt an, denn sie hilft bei der Orientierung durch den Inhalte-Dschungel auf diesen Plattformen.
Konsumiert wird also vor allem, was der Algorithmus vorgibt?
Ja, aber nicht ausschliesslich. Was auffällt: Personen, die bereits zuhause oder in der Schule mit SRG-Formaten in Kontakt gekommen sind, abonnieren diese dann auf auch Social Media öfters. Auch in Krisen und bei wichtigen Themen greifen die Jungen vermehrt auf SRG-Inhalte zurück.
Weshalb?
Den meisten ist bewusst: Die SRG verfolgt im Gegensatz zu internationalen Plattformen keinen rein kommerziellen, sondern primär einen öffentlichen Zweck. Deshalb wird diesen Inhalten mehr vertraut.
Die Jungen vertrauen also der SRG, konsumieren aber dennoch vor allem Inhalte von anderen Quellen auf Social Media?
Ja, dieser Widerspruch ist ein spannender Punkt in meiner Forschung. Sehr interessant ist auch, dass die Jungen unabhängig von ihrem Alter finden, dass das SRG-Angebot für die Vielfalt und Demokratie in der Schweiz sehr wichtig ist. Meine Forschung zeigt: Es ist wichtiger denn je, die Medienkompetenz im Umgang mit Social Media zu stärken und bei jungen Menschen direkt nachzufragen, welche Inhalte sie sich auf solchen Plattformen wünschen.
Was kann die SRG aus Ihren Erkenntnissen mitnehmen?
Sie muss sich den Jungen vermehrt annehmen und diese einbinden. Junge Menschen sollen vor und hinter der Kamera vorkommen, um ihre Bedürfnisse und Erwartungen besser repräsentieren zu können. Das ist wichtig, damit die SRG ihre Legitimität in der Gesellschaft erhalten kann.
Wie meinen Sie das?
Die Gesellschaft verändert sich fortlaufend. Damit verändern sich auch die Erwartungen an die SRG. Sie muss also ihr Angebot stets hinterfragen und anpassen. Nur so kann sie ihren gesellschaftlichen Auftrag erfüllen und als wertvolle Institution wahrgenommen werden, die es in der Schweiz braucht.
Interview vom 5. Juli 2023 (Francesca Guicciardi)
Zur Person
Fiona Fehlmann war 2018-2022 Doktorandin im Forschungsprojekt «Service public: Publikumsakzeptanz und Zukunftschancen» der Fachhochschule Graubünden in Kooperation mit der Universität Basel. Im Rahmen dieses Projekts schrieb sie ihre Doktorarbeit «Legitimität als Herausforderung – die SRG SSR bei jungen Zielgruppen». Bereits in ihrer Masterarbeit hat sich Fehlmann mit der SRG beschäftigt und wurde dafür 2017 mit dem Goldmedia Preis für innovative Abschlussarbeiten ausgezeichnet. Heute arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich «Media Literacy» am Institut für Angewandte Medienwissenschaft an der ZHAW.
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Fiona Fehlmann untersucht in ihrer Dissertation, wie junge Menschen zwischen 14 und 35 Jahren die SRG wahrnehmen, sowie ob und wie diese das SRG-Angebot konsumieren. Weiter analysiert sie, wie die SRG diese junge Zielgruppe wahrnimmt und wie ihr Angebot zielgruppenspezifisch aussieht. Diese gegenseitigen Wahrnehmungen wurden miteinander verglichen.
Die Dissertation von Fiona Fehlmann ist Teil des Forschungsprojektes «Service public: Publikumsakzeptanz und Zukunftschancen» und wird voraussichtlich ab Frühling 2024 online frei verfügbar sein.
Das Forschungsprojekt wurde vom Schweizer Nationalfonds unterstützt und von den Professor:innen Matthias Künzler, Ulla Autenrieth und Klaus Neumann-Braun geleitet. Es ist ein Gemeinschaftsprojekt des Instituts für Multimedia Production (IMP) der Fachhochschule Graubünden und des Seminars für Medienwissenschaft (SfM) der Universität Basel.