«Winter Palace» kurbelt Walliser Wirtschaft an
«Winter Palace» ist die erste Schweizer Koproduktion mit Netflix. Die RTS-Serie wurde von den Produktionsfirmen Point Prod und Oble realisiert und ist ab dem 26. Dezember zu sehen. Bereits jetzt ist klar: Im Hinblick auf die wirtschaftliche Wertschöpfung im Wallis hat sich das Filmprojekt mehr als gelohnt.
Über 100 Statist:innen, 12 000 Kostümstücke – diese Zahlen zeigen deutlich: «Winter Palace» ist eine Riesenkiste. Die neue Serie dürfte nicht nur das Fernsehpublikum erfreuen, sondern auch die Wirtschaft im Wallis und im Waadtland. So hat die Entstehung der achtteiligen Serie laut Produktionsleiter Xavier Derigo fast 15 000 Logiernächte generiert. Darüber hinaus wurde die Wirtschaft durch Restaurantbesuche oder Aufträge an lokale Fachleute angekurbelt. Der gesellschaftliche Mehrwert der ersten Schweizer Koproduktion mit Netflix geht aber über diese wirtschaftliche Wertschöpfung hinaus: Durch audiovisuelle Projekte wie «Winter Palace» werden Tourist:innen angelockt, das Interesse an Filmberufen wird geweckt und kulturelles Erbe sichtbar gemacht.
Jeder Franken generiert sieben Franken Mehrwert
Die Idee für «Winter Palace» hatte Jean-Marc Fröhle vom Studio Point Prod bereits 2016. Er wandte sich an die Drehbuchautor:innen Lindsay Shapero und Stéphane Mitchell, um die Texte auszuarbeiten. RTS und die Produktionsfirma Oble schlossen sich dem Abenteuer an und schliesslich kam auch Netflix noch an Bord. Die Dreharbeiten zum Historiendrama, das von der Entstehung des Luxus-Wintertourismus erzählt, begannen 2023 mit der Rekonstruktion des Inneren eines Palastes oberhalb von Montreux.
Dass es sich wirtschaftlich für eine Region lohnen kann, Filmschaffen zu unterstützen, begännen Behörden und Politik langsam zu verstehen, sagt Produktionsleiter Xavier Derigo: «In der Schweiz findet ein Umdenken statt.» Wurden öffentliche Fördermittel für audiovisuellen Sektor bis vor kurzem noch ausschliesslich aus den Kulturtöpfen bereitgestellt, stammen sie mittlerweile auch aus der Wirtschaftsförderung.
Ein Beispiel: Vor drei Jahren wurde die «Valais Film Commission» gegründet. Sie ist den für Kultur und Wirtschaft zuständigen Departementen des Kanton Wallis unterstellt und arbeitet mit einem Anreizsystem für Filmschaffende: Wer im Wallis dreht, erhält bestimmte Ausgaben erstattet. Tristan Albrecht ist Direktor der Kommission. Er sagt, das Filmschaffen sei eine «Kreativwirtschaft im wahrsten Sinne des Wortes – mit einer unvergleichlichen Rendite auf Investitionen». Das zeigt sich auch im ersten Tätigkeitsbericht der Förderorganisation: Dort heisst es, dass jeder investierte Franken einen Rückfluss von fast sieben Franken in die Walliser Wirtschaft generiert hatte.
Wie Produktionsleiter Xavier Derigo hat Tristan Albrecht festgestellt, dass das wirtschaftliche Potenzial des audiovisuellen Sektors in der Politk angekommen ist: «Die Politiker:innen zeigen Interesse daran, neue Strukturen zu schaffen, wie etwa die Einrichtung eines Filmstudios. Man interessiert sich mehr für den Filmtourismus und dafür, wie man mit zunehmenden Besucherzahlen umgehen kann», sagt er. So hat die «Valais Film Commission» für die nächsten vier Jahre ein Budget von drei Millionen Franken, das für die Unterstützung des Filmschaffens und die Ausbildung verwendet werden kann.
Grossproduktionen: Unmöglich ohne RTS und SRG
So gross die Produktion von «Winter Palace», so teuer war sie auch. Ohne das Engagement von RTS und SRG wäre eine Serie wie diese nie möglich gewesen, erklärt Patrick Suhner, redaktioneller Produzent bei RTS. Pro Jahr könnte der öffentliche Rundfunk normalerweise zwei oder sogar drei Serien mit je rund vier Millionen Franken unterstützen. In «Winter Palace» hat RTS sieben Millionen Franken investiert. Die zusätzlichen finanziellen Mittel konnten durch einen Fonds der SRG für solche Produktionen bereitgestellt werden. Aber auch sieben Millionen Franken reichen nicht für eine Produktion in dieser Grössenordnung, weshalb die Zusammenarbeit mit Netflix zustande kam. «Vor einer ähnlichen Herausforderung stand SRF mit der Serie Davos 1917. Solche Produktionen sind teuer und können ohne einen starken internationalen Partner nicht finanziert werden», erklärt Patrick Suhner. Dank dem neuen Filmgesetz «Lex Netflix», das Streamingplattformen dazu verpflichtet, vier Prozent ihrer in der Schweiz erzielten Bruttoeinnahmen zur Unterstützung des Filmsektors einzusetzen, konnten das Gesamtbudget für «Winter Palace» sowie eine internationale Ausstrahlung gesichert werden. Nach sieben Wochen Exklusiv-Ausstrahlung auf RTS wird die Serie in Deutschland, Spanien, Frankreich, Italien und der Schweiz über Netflix zugänglich sein.
Auch laut David Rihs, Associate Producer bei Point Prod, sind die SRG, das Bundesamt für Kultur und regionale Stiftungen für den audiovisuellen Sektor in der Schweiz unverzichtbar. Und: «Wir konnten auf dem internationalen Markt nur wettbewerbsfähig sein, weil wir über viel Knowhow verfügen, das über mehrere Jahre unter anderem dank der SRG entwickelt wurde», sagt er. Mit anderen Worten: Ohne eine starke Unterstützung durch die SRG hätte das Schweizer Filmschaffen wenig bis keine Chancen, sich auf internationaler Ebene zu profilieren.
Rhis betont ebenfalls, dass es finanzielle Mittel benötigt, um auf dem internationalen Markt bestehen zu können. Die Mittel würden aber in die Realwirtschaft investiert: «Bei einer Serie wie ‹Winter Palace› fliessen Millionen in die lokale Wirtschaft. Und es werden zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen.»
Trotz für die Filmindustrie positivem Mentalitätswandel: Die Situation bleibe unsicher und werde regelmässig politisch in Frage gestellt, sagt David Rihs. Es habe 15 Jahre an Investitionen gebraucht, um an den jetzigen Punkt zu kommen. «Wir erleben momentan eine positive Entwicklung. Jetzt müssen wir schauen, dass es so weitergeht!»
«Winter Palace» flimmert ab dem 26. Dezember über den Bildschirm. Bereits 24 Stunden früher ist die Serie auf Play Suisse zu sehen.
Lucie Donzé, November 2024