Wie wichtig Kultur ist – und was die SRG besser machen könnte

Die SRG hat den gesetzlichen Auftrag, Kultur zu fördern und die kulturellen Werte der Schweiz zu stärken. Ist das nötig? Und wenn ja: Wie gut macht sie das? Diesen Fragen geht der «Public Value Dialog» nach.

Im SRF-«Literaturclub» wird das neue Buch von Wilfried Meichtry besprochen, online auf Rätoromanisch vom Open Air Lumnezia getickert. Derweil läuft im Radio die Aufnahme eines Konzerts am Jazzfestival in Chiasso und das Westschweizer Fernsehen macht sich im «Mudac» in Lausanne auf die Spur des Surrealismus: Kultur ist ein zentraler Teil der SRG-Berichterstattung. Denn gemäss ihrem gesetzlichen Auftrag soll die SRG die Schweizer Kultur vermitteln und zur kulturellen Entwicklung sowie zur Stärkung der kulturellen Werte beitragen. Der Kulturauftrag der SRG umfasst aber nicht bloss Berichterstattung. Er bedeutet auch, dass die SRG das kulturelle Schaffen in der Schweiz fördern soll. Beispielsweise, indem sie Filme und Serien koproduziert, Events und Festivals finanziell unterstützt oder im Radio Schweizer Musik spielt.

Doch wie gut erfüllt die SRG diese gesetzlich verankerte Aufgabe? Was könnte besser sein? Und ist es überhaupt relevant für die Gesellschaft, dass ein öffentliches Medienhaus das tut? Mit diesen und weiteren Fragen hat sich der «Public Value Dialog» zum Thema Kultur befasst: 2023 wurden die breite Bevölkerung und Anspruchsgruppen aus dem Kulturbereich zum Thema befragt (siehe Box).

Über 3000 Personen befragt.

Die Ergebnisse der repräsentativen Umfrage und der qualitativen Interviews zeigen: Der Kulturauftrag der SRG ist aus Sicht der mehr als 3000 befragten Personen relevant für die Schweiz. Bei der Umsetzung gibt es aber durchaus auch Kritik – und damit Spielraum für Verbesserungen.

Kirsche statt Backpulver

Zunächst zu den Resultaten aus den Interviews mit 48 befragten Personen aus der Kulturszene: Sie sind aktuell überwiegend zufrieden damit, wie die SRG den Kulturauftrag erfüllt und geben ihr dafür genügende bis gute Noten. In der Westschweiz bewerteten die Befragten die Erfüllung mit durchschnittlich 6,8 von 10 Punkten, in der italienischen Schweiz mit 7,7 Punkten, in der Deutschschweiz gab es 7,1 Punkte, in der rätoromanischen Schweiz 6,5. Zusammen mit den Noten jener Interviewpartner:innen, die auf nationaler Ebene im Kulturbereich tätig sind, ergibt das einen gesamtschweizerischen Schnitt von 6,9 von 10 Punkten. Sowohl in Bezug auf die Kulturberichterstattung als auch in Bezug auf die Kulturförderung erachten die Befragten die Angebote der SRG als alternativlos.

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Durch das SRG-Angebot wird einem immer wieder bewusst, dass wir ein viersprachiges Land sind.»
Dominik Deuber, Musikkollegium Winterthur

Viele Interviewpartner:innen sind der Ansicht, dass die SRG einen unverzichtbaren wirtschaftlichen Einfluss auf den Kultursektor hat und sie der Bevölkerung den Zugang zu Kultur erleichtert. Weiter denkt die Mehrheit der Interviewten, dass die Erfüllung des Kulturauftrags wichtig für den Zusammenhalt des Landes und für die Vielfalt ist. So mache die SRG verbindende Werte und Traditionen sichtbar und widerspiegle die zahlreichen unterschiedlichen Formen von Kultur. «Durch das SRG-Angebot wird einem immer wieder bewusst, dass wir ein viersprachiges Land sind», sagte etwa Dominik Deuber vom Musikkollegium Winterthur.

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Zurzeit ist die kulturelle Berichterstattung wie die Kirsche auf dem Kuchen, sie sollte aber das Backpulver im Teig sein.»
Jacqueline Strauss, Museum für Kommunikation

In allen Regionen sowie auf nationaler Ebene äussern die Anspruchsgruppen aber auch Kritik. In der Westschweiz beispielsweise denkt die Mehrheit der Befragten, dass sich die SRG zu fest auf das kulturelle Angebot am Genfersee fokussiert, in der rätoromanischen und deutschen Schweiz äusserten sich einige dahingehend, dass die Jungen zu wenig berücksichtigt werden: «Die Generation meiner Eltern kann sich eine Welt ohne SRF nicht vorstellen, meine ist schon viel breiter aufgestellt, und die nächste hat das Lagerfeuer-Feeling gar nicht mitbekommen. Die Frage ist: Wer würde was vermissen?», äusserte sich Mathias Balzer vom Kulturmagazin Frida. Einige der Befragten wünschen sich auch mehr kulturelle Berichterstattung, etwa Jacqueline Strauss vom Museum für Kommunikation : «Zurzeit ist die kulturelle Berichterstattung wie die Kirsche auf dem Kuchen, sie sollte aber das Backpulver im Teig sein.»

86% finden den Kulturauftrag wichtig.
Breite Bevölkerung findet: SRG erfüllt Auftrag

Die Ergebnisse der repräsentativen Umfrage zeigen, dass auch die breite Bevölkerung den Kulturauftrag der SRG wertvoll findet: 86 Prozent denken, dass er für die Gesellschaft im Allgemeinen «sehr wichtig» oder «eher wichtig» ist, für die Kulturschaffenden im Besonderen erachten ihn 85 Prozent als «sehr wichtig» oder «eher wichtig». Für die Umsetzung erhält die SRG von der Bevölkerung gute Noten: Eine deutliche Mehrheit findet, dass sie den Auftrag erfüllt. Verbesserungspotenzial sehen die Befragten in Bezug auf verschiedene Bevölkerungsschichten. Sie denken, dass die jüngere Generation und Personen, deren Muttersprache keine der vier Landessprachen ist, stärker angesprochen werden könnten, was zu einem grösseren Zusammenhalt beitragen würde. Die Einschätzungen der allgemeinen Bevölkerung decken sich im Wesentlichen mit jenen der Kulturexpert:innen, also der Anspruchsgruppen. Eine Abweichung fällt allerdings auf: Während Anspruchsgruppen denken, dass kulturelle Inhalte aus anderen Sprachregionen wichtig für den nationalen Zusammenhalt sind, interessiert sich die Bevölkerung weniger dafür.

Aus den Ergebnissen des «Public Value Dialog» ist ein Bericht entstanden, der Handlungsfelder und Verbesserungsmöglichkeiten skizziert, sowohl für die einzelnen Sprachregionen als auch auf gesamtschweizerischer Ebene. Darauf basierend werden bis Herbst 2024 die Ergebnisse in den Sprachregionen besprochen und mögliche Massnahmen festgelegt – etwa neue Projekte oder Änderungen bei bestehenden Angeboten. Die Massnahmen sollen den Beitrag stärken, den die SRG zur Kultur in der Schweiz leistet.

 

Malolo Kessler im Auftrag der SRG SSR

Mehr als 3000 Personen befragt

Im Rahmen des «Public Value Dialogs» zum Thema Kultur wurden 2023 insgesamt 48 Interviews mit Personen aus der Kulturszene, der Kulturpolitik, dem Bildungswesen und dem Kulturjournalismus geführt. Je zehn in der deutschen und italienischen Schweiz, elf in der französischen Schweiz und sechs im rätoromanischen Sprachraum. Ebenfalls wurden elf Personen interviewt, die berufsbedingt einen nationalen Blick auf die Kultur haben. Die repräsentative Umfrage führte das Forschungsinstitut gfs.bern im Auftrag der SRG durch. Dabei wurden etwas mehr als 3000 Einwohner:innen aus der ganzen Schweiz mittels einer Online-Umfrage zu ihrer Sicht auf den Kulturauftrag der SRG befragt.

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DEMOKRATIE

Die hohe Qualität der Nachrichten und die Unabhängigkeit der SRG sind für die Demokratie zentral, sagen 66 Prozent der Befragten. Dies sind Kernpunkte des Auftrages der SRG.

VIELFALT

Urchige Bräuche, klangvolle Dialekte, urbane Lebensstile – Die kulturellen und sprachlichen Eigenheiten machen die Schweiz einzigartig. Diese grosse Vielfalt wird in dem breiten Angebot von SRF, RSI, RTR und RTS sichtbar.

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