36 Karten, 7 Shows und viel Wir-Gefühl: Warum der «Donnschtig-Jass» so wertvoll ist
Jassen ist Nationalsport, lebendige Tradition – und Herzstück einer der beliebtesten TV-Sendungen der SRG. Dabei geht es um mehr als blosse Unterhaltung: Der «Donnschtig-Jass» bringt Menschen zusammen. Eindrücke von der ersten Ausgabe dieses Sommers.
Donnerstag, 4. Juli 2024. 16 Uhr: Die Generalprobe
Die 370 Festbänke im Dorfkern von Seengen am Hallwilersee sind alle längst besetzt – so, als würde der erste «Donnschtig-Jass» der Saison jeden Moment beginnen. «49 aagseit, 52 gmacht, Differenz 3», hört man Schiedsrichterin Sonia Kälin bei der Generalprobe über die Lautsprecherboxen rechnen. Es ist mucksmäuschenstill. Konzentriertes Spiel trifft auf riesige Sommerparty; der «Donnschtig-Jass» macht das Unmögliche möglich.
«Wenn ich jemandem erklären will, was Public Value bedeutet, dann ist diese Sendung eines meiner ersten Beispiele», erzählt Henriette Engbersen, Bereichsleiterin Public Value der SRG. Mit teilweise über 500´000 Zuschauer:innen sei der «Donnschtig-Jass» nicht nur der Quotenhit im Sommerprogramm, sondern auch ein grosser Mehrwert für die Bevölkerung des jeweiligen Austragungsortes. «Vom ersten Materialwagen auf dem Platz bis zur letzten Festbank, die zusammengeklappt wird, sind die Menschen Teil eines grossen Ganzen. Gemeinsam mit unserer Crew, dem Organisationskomitee und Besucher:innen aus der ganzen Region.»
20:00 Uhr: Warm-up der Moderatoren
Bis 30 Sekunden vor der Sendung scherzen Rainer Maria Salzgeber und Co-Host Stefan Büsser mit den Menschen auf dem Platz. 3500 sind heute gekommen. Die grösste Nervosität herrscht an den langen Tischen der Fans aus Scuol und Val Müstair. Sie kämpfen in fünf Jassrunden darum, die Sendung eine Woche später bei sich austragen zu dürfen. Es geht um viel, beide Orte haben monatelange Vorbereitungen hinter sich. Am Ende werden wenige Differenzpunkte entscheiden.
Jassen sei nicht nur beliebter Nationalsport, es stehe auch auf der nationalen Liste der lebendigen Traditionen – so wie die Basler Fasnacht oder der Zibelemärit, erklärt Henriette Engbersen. «Und dieses Spiel bildet im «Donnschtig-Jass» das Herzstück erfolgreicher TV-Unterhaltung mit einem grossen Mehrwert.» Genau diese nicht messbare Grösse wollen die Public-Value-Verantwortlichen für möglichst viele erleb- und spürbar machen. «Wenn die Menschen hier auf dem Platz und zuhause nicht nur das Total auf der Jasstafel im Kopf behalten, sondern auch die Erinnerung an einen schönen, gemeinsamen Abend im Herzen mitnehmen, dann ist das ein wunderbarer Public Value. Denn dieses Wir-Gefühl und das gemeinsame Feiern sind in einer polarisierten Welt wichtiger denn je.»
21:15 Uhr: Die Stubete Gäng auf der Showbühne
Seengen steht auf den Festbänken und singt lauthals «Willisau», den neusten Song der Stubete Gäng. Auch dann noch, als die Musik längst zu Ende ist.
Die Sommerparty ist lanciert. Es sind solche Momente, die auch die Crew durch die langen Jasswochen trägt. Je nach Aufgabe sind die Mitarbeitenden während sieben Wochen fast nonstop unterwegs. Engadin, Bielersee, Zentralschweiz, Freiburgerland, Glarus. «Es ist anstrengend, es ist viel – aber es fühlt sich auch immer wieder an wie ein sehr langes Sommerlager mit tollen Menschen. Jahr für Jahr lernen wir so die Schweiz und ihre Bewohner:innen aus einer ganz neuen Perspektive kennen», erklärt Marco Krämer, Stellvertretender Leiter des Bereichs Show.
Freitag, 5. Juli. 8:30 Uhr: «Salzi on Tour» unterwegs nach Scuol
Kurzer Stopp vor dem Kloster Muri (AG). Rainer Maria Salzgeber hat die ersten 20 von insgesamt 230 Kilometern bis nach Scuol geschafft – die Bündner Gemeinde hatte am Hallwilersee gegen Val Müstair gewonnen. Salzgeber ist mit dem Rennvelo unterwegs. «Es war die Idee meiner Frau, dass ich jeweils mit reiner Muskelkraft zum nächsten Austragungsort fahre. Und das, obwohl ich vor meiner ersten Sendung noch nie auf einem Rennvelo gesessen bin. Aber Jassen und Velofahren, das passt zusammen. Beides gehört zur DNA der Schweiz», schwärmt der Walliser. Eine halbe Stunde später ist auch die Quote da: Fast 430 000 Menschen haben am Abend zuvor eingeschaltet. Salzgeber freut sich über seine erfolgreiche Premiere: «Es ist für mich ein grosses Privileg, diese Sendung moderieren zu können. Die Welt haben wir bereits entdeckt, jetzt konzentrieren wir uns auf das, was sich vor unserer Haustür befindet.» Sagt’s und steigt in den Sattel. Noch 3000 Höhenmeter bis Scuol.
Nicole Simmen, Juli 2024