«Faszination Medien»: Eine Reise quer durch die Medienwelt
Auch 100 Jahre nach dem Start des ersten konzessionierten Radioprogramms der Schweiz fasziniert die Medienwelt weiter. Zum Jubiläum gewährte SRF mit einem zehntägigen Themenschwerpunkt intime Blicke hinter die Kulissen und machte die journalistische Arbeit nah- und erlebbar.
«Ein Jahr nach dem Waldbrand im Wallis: alles tot, alles kaputt.»
«Einstein»-Moderator Tobias Müller bricht mit den Fingerspitzen ein verkohltes Stück Rinde von einem Baum ab und fragt in die Kamera: «Was kann man tun, damit der Wald wiederkommt?»
Eine kurze Pause, dann ruft ein Kameramann: «Mach das nochmal!»
«Ein Jahr nach dem Waldbrand im Wallis…»: Tobias Müller bricht ein weiteres Stück Rinde ab. Es zerbröselt fast zwischen seinen Fingern, während er sein Intro erneut aufsagt, und er lässt es fallen. Der Kameramann nickt: Die Szene sitzt.

«Einstein»-Moderator Tobias Müller bei den Dreharbeiten.
Wie SRF die Wissenschaft ins Wohnzimmer bringt
Es sind Einblicke, die ein Publikum nur selten hat: der Blick auf die Kameras, den Produzenten, die unzähligen Takes, bis eine Moderation sitzt. Unter dem Titel «Faszination Medien» feierte SRF vom 23. August bis 1. September 2024 das 100-jährige Bestehen der elektronischen Medien in der Deutschschweiz. Thematische Sendungen und Veranstaltungen nahmen das Publikum mit auf eine Reise quer durch die Medienwelt: von Studioführungen über Making-Offs bis hin zu Live-Aufzeichnungen mit Publikum.
In diesem Rahmen entstand auch ein zehnminütiges Video, das einen Blick hinter die Kulissen des Wissensmagazins «Einstein» gewährt. «Das Publikum sieht in erster Linie unsere Moderationspersonen und glaubt daher vielleicht, Tobias Müller würde die ganze Sendung allein gestalten», sagt Andrea Fischli Roth. Sie ist Angebotsverantwortliche des multimedialen Teams Wissenschaft bei SRF. «Was es hinter den Kulissen alles braucht, damit eine 36-minütige Sendung zustande kommt, wissen viele nicht.»
Als Moderator steht Tobias Müller in der Regel etwa zwei Tage vor der Kamera – dann ruft schon die nächste Sendung. Das Redaktionsteam ist zusätzlich bis zu acht Tage unterwegs, um Aufnahmen für nicht moderierte Szenen an anderen Drehorten zu machen. «Hinter drei bis vier Minuten Sendezeit steckt manchmal ein ganzer Drehtag», sagt «Einstein»-Produzent Jörg Niggli.
Rund 25 Prozent der redaktionellen Arbeit einer einzelnen Sendung ist die inhaltliche Recherchearbeit. Der Rest ist Produktionsarbeit: die Suche nach Protagonisten, die Abklärung von Schauplätzen, die Koordination von Terminen, die hausinternen Absprachen und vor allem die Dreh- und Schnittarbeiten. Dazu kommt das Konzipieren der Grafiken sowie die Gestaltung der Dramaturgie: Die Zuschauer:innen sollen schliesslich ganze 36 Minuten dranbleiben.
SRF als Brücke zwischen unterschiedlichen Lebenswelten
«‹Faszination Medien› macht am Beispiel von SRF sichtbar, was elektronische Medien heute alles leisten», erklärt Julia Gubser, die den Themenschwerpunkt gemeinsam mit Walter Herger leitete. «Wir bieten damit zugängliche und authentische Einblicke in unser Schaffen. Zum Beispiel, wie unsere Mitarbeitenden mit ihrem Know-how Inhalte recherchieren und aufbereiten.»
Es ist aufwändiger Journalismus, den SRF damit betreibt. Aber einer, der dem Publikum einen grossen Wert bietet. Mit seinen Wissenschaftssendungen macht SRF ein Fenster auf: in die Community, ins Land – und in die grosse Welt dahinter.
Mit solchen Themenschwerpunkten sollen elektronische Medien für das Publikum nah- und vor allem erlebbar werden, und zwar in ihrer ganzen inhaltlichen und formalen Bandbreite: Denn die paralympischen Spiele in Paris waren ebenso Teil des Schwerpunkts wie die Sendung «Sternstunde Philosophie», die 2024 ihr 30-jähriges Jubiläum feierte.
Die Formate sprechen unterschiedliche Leute an, aber genau in dieser Vielfalt sehen Herger und Gubser die Gemeinsamkeiten: «Wir wollten zeigen, dass unsere audiovisuellen Formate sowohl persönliche wie auch gesellschaftliche Nutzwerte bieten», sagt Herger. «Jemand muss eine bestimmte Sendung selbst nicht mögen, um zu verstehen, dass sie für viele andere Menschen ein wichtiges Angebot ist.» Mit den Angeboten wolle SRF eine Brücke zwischen den verschiedenen Lebenswelten bauen und so den Austausch und das Verständnis untereinander fördern.
100 Jahre Radiogeschichte live erleben
Elektronische Medien haben sich in den vergangenen 100 Jahren grundlegend geändert. Die Möglichkeiten zum Austausch und zur Teilhabe an Kultur und Weltgeschehen haben sich in den letzten 100 Jahren technisch vervielfacht. Wir brauchen schon lange keinen Fernseher mehr, um Nachrichten zu erhalten oder Filme zu schauen. Was früher über einen grossen, schweren Kasten im Wohnzimmer flimmerte, tragen wir heute in der Hosentasche. «Genau das macht elektronische Medien für uns alle auch so faszinierend», sagt Walter Herger. «Die Medien erlauben uns, an der Gemeinschaft teilzuhaben. Und Dank Social Media kann man sogar selbst ein Medium gestalten.»
Dieser Mehrwert des direkten Austauschs zwischen Medium und Publikum wird auch am 23. August 2024 deutlich, einem Freitagmittag exakt 100 Jahre nachdem die allererste Radiosendung der Deutschschweiz live ging. 14 Besucher:innen stehen mit angehaltenem Atem im Studio des Regionaljournals Bern. Sie machen keinen Mucks, drängen sich um das Technikpult, verfolgen mit den Augen das Skript auf einem der Bildschirme und blicken immer wieder hoch, um zu sehen, ob der Text mit den Lippenbewegungen von Moderatorin Aline Langenegger übereinstimmt.
Die Besucher:innengruppe gehört zu den insgesamt fast 100 Leuten, die an diesem Tag ins SRF-Studio in Bern gekommen sind, um die Redaktionen anzuschauen und im Anschluss live beim Tagesgespräch dabei zu sein. Die Gruppe wird durch die Räume geführt: vom Archiv im Keller und über teppichverkleidete Treppen hoch in das Büro, wo das «Echo der Zeit» entsteht.
Live-Veranstaltung im SRF-Studio in Bern.
In jedem neuen Raum, den sie betritt, geht ein bewunderndes Raunen durch die Besucher:innengruppe. «Ich habe mich immer gewundert, wie diese Leute aussehen», meint eine ältere Frau. «Von jetzt an kann mir das Gesicht dazu vorstellen!»
«Ich höre eigentlich nie Radio», sagt ein Schüler, der mit seiner Klasse aus dem Berner Gymnasium Neufeld da ist. «Aber ich glaube, das wird sich jetzt ändern!» Sein Freund ergänzt: «Es ist total faszinierend zu sehen, wie getaktet alles ist!» Begeisterung schwingt in seiner Stimme mit. «Ich hätte nie gedacht, wie viele Leute an einem einzigen kleinen Beitrag mitarbeiten.»
Noemi Harnickell, September 2024